5:30 Uhr in der Nacht - so gar nicht meine Zeit. Im Auto neben mir meine Frau, auf der Rücksitzbank meine zweijährige Tochter - beide müde und doch so aufgeregt. Dänemark, der erste wirkliche Familienurlaub. Wir verlassen unser Revier, den Landkreis Schweinfurt und ich stelle fest, dass ich viele Ausfahrten und Autobahnkreuze kenne und mit einer Geschichte verbinde. Ich bin kein Berufskraftfahrer, dennoch ist das Auto- oder Transporterfahren fester Bestandteil meines Berufes. Viele Jahre war ich als Tourneebegleiter in der Republik unterwegs - immer im Dienste der Kultur. Die Autofahrt in den Urlaub und die Ruhe im Auto lässt mich viele Geschichten und Momente des Tourlebens Revue passieren und ich merke, wie sehr das Tourgeschäft mich und mein Leben geprägt hat. Geplant war das so nicht.
Neben meinem Studium arbeitete ich als Beleuchter im Theater Schweinfurt, ehrlicherweise müsste man sagen ich studierte neben meiner Arbeit als Beleuchter, denn das Leben hinter der Bühne, am Lichtpult und in den Abendstunden lag mir viel mehr als vormittags in Digitaltechnik 2 des Ingenieursstudiums theoretischen Stoff eines Professors zu lauschen, für den die Digitalisierung eher theoretischer Natur war.
Mit seinem Ausbruch im Frühjahr 2010 veränderte der Vulkan Eyjafjallajökull die Planung vieler Flugreisenden. Darunter auch ein Tanzensemble, welches in Schweinfurt ein Gastspiel geplant hatte. Während wir im Theater aufbauten, ereilte uns die Nachricht über die Stornierung aller Flüge und somit auch des Auftritts. Nach einem kurzen Moment der Ratlosigkeit kam die Lösung. Eine Tanzkompagnie aus Chicago war zu Proben in Deutschland und würde spontan die Lücke füllen - jedoch einen Lichttechniker haben sie nicht dabei, ich sollte mich darum kümmern.
Offenbar machte ich meine Sache nicht allzu schlecht, denn im Nachgang an die vier Vorstellungen fragte mich Franziska Grevesmühl - v. Marcard, ob ich Interesse hätte die in kürze anstehenden Auftritte von „Love hurts Petrushka“ lichttechnisch zu betreuen…in den folgenden 24 Stunden Bedenkzeit wägte ich Chancen und Risiken gegeneinander ab, um am folgenden Tag zu zusagen. So kam die NDKD in mein Leben. Ein Sprung ins kalte Wasser und das Tor in eine andere Welt. Es folgten lange Autofahrten mit guten Gesprächen, neue Orte und (überwiegend) nette Kontakte zu Theaterpersonal.
Aus der anfänglichen Geschäftsbeziehung wurde eine Freundschaft und so kam es auch immer wieder zu Folgeanfragen seitens NDKD, wenn mal wieder ein Techniker für die nächste Tour gebraucht wurde, es eine Tour technisch zu planen gab oder einfach ein Lichtplan zu zeichnen war.
Über die Jahre folgten Aufenthalte in Remscheid, Villingen-Schwenningen, Bonn, Erfurt, Hameln, Undine (Italien), München, Aschaffenburg, Heerlen (Niederlande), Landau in der Pfalz, Idar-Oberstein, Luxemburg, Rüsselsheim, Friedrichshafen, eine Tour durch die tschechische Republik und in vielen weiteren Orten.
Und zu jedem habe ich eine Geschichte oder mindestens ein Bild im Kopf (ein SEK-Einsatz im Hotel, die Balletteinlage eines Bürgermeisters, eingeschlossen im Dach des Theaters, verlorene Pässe von Tänzern, mit einer Wildschweinrotte auf der Autobahn…) und nicht zuletzt auch eine Vielzahl von netten Menschen, die einem in der Theaterwelt immer wieder einmal begegnen und über deren Wiedersehen man sich freut.
Die vielen Erfahrungen und Eindrücke haben mich auch persönlich wachsen lassen. Flexibilität, Gelassenheit und die nötige Prise Humor waren auch vorher schon fester Bestandteil meiner Persönlichkeit. Das Touren hat dies bestärkt und mir mehr Selbstvertrauen und Offenheit gegeben, sowie meine Menschenkenntnis stark wachsen lassen. Bei allem Stress, allen Hürden und Problemen (und davon gibt es auf Tour viele), die Theaterweisheit „der Vorhang wird heute Abend aufgehen“ hat sich bis jetzt immer bewahrheitet und lässt sich auch sehr schön in Berufs- und Privatleben außerhalb des Tourneebetriebs projizieren. Diagnose: Berufsoptimist.
Wir erreichen unseren Zwischenstopp kurz nach Hamburg. Meine Mitfahrerinnen sind der Meinung, dass es eine lange Fahrt war, …auch dafür ist das Tourbusiness gut - „alles unter vier Stunden ist eine kurze Fahrt“. Welche Folgen so ein Vulkanausbruch doch haben kann…
Foto von Philipp Riedl, PASE Licht- und Tontechnik
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